Mittwoch, Hauptbahnhof. Eigentlich wollte ich nur wie immer ein Taxi nehmen, ein kleines Stück nach Hause, alles Routine – dachte ich. Doch an diesem Tag wurde mir wieder schmerzlich bewusst, wie unsichtbar und gleichzeitig zerstörerisch Diskriminierung sein kann. Und wie hilflos ich mich in solchen Situationen fühle.
Mit schwerem Rucksack, müde von der Zugfahrt, ging ich zum Taxistand. Drei Taxis warteten dort. Einfach einsteigen und los? Fehlanzeige. Der Fahrer des ersten Taxis schüttelte nur den Kopf, als er Lilly sah. „Ich darf keine Hunde transportieren.“ Ich erklärte ihm, dass Lilly nicht irgendein Hund ist, sondern mein Assistenzhund – staatlich geprüft, im Behindertenpass eingetragen, ein medizinisches Hilfsmittel. Doch das interessierte ihn nicht. Ich spürte sofort diesen alten Kloß im Hals; dieses Gefühl, gefragt zu werden, ob ich eigentlich dazugehöre.
Beim zweiten Taxi war es nicht anders. „Strenge Vorgaben vom Chef, keine Hunde.“ Es war, als würde jeder Satz mir den Boden ein bisschen mehr unter den Füßen wegziehen. Fremde Menschen stiegen ein, fuhren einfach los. Für sie ganz normal. Für mich: neue Runde Erklärungen, Rechtfertigungen, Ablehnung. Ich musste an Ort und Stelle meine Fassung bewahren, obwohl in mir alles nach Hilfe schrie. Ich fotografierte die Kennzeichen, als schwachen Versuch, wenigstens irgendwas zu tun gegen diese Ohnmacht und mich später wehren zu können. Aber eben erst später.
Einer der Taxifahrer meinte, ich solle es an einem anderen Stand probieren – aber mir fehlte die Kraft. Mit dem schweren Rucksack und meiner Assistenzhündin – körperlich war einfach Schluss.
Und als wäre das nicht genug, musste ich mich noch darüber belehren lassen, dass Lilly einen Maulkorb brauche. Ich erklärte, dass sie von der Pflicht befreit ist, aber in so einer Situation hat man das Gefühl, jede einzelne Existenzberechtigung neu nachweisen zu müssen. Ich fühlte mich klein, ausgeliefert, erschöpft.
Ich kam auf die Idee, die Nummer eines Taxiunternehmens zu nutzen, die ich mal vorsorglich im Handy gespeichert hatte – heute weiß ich, wie wichtig das war. Am Telefon wurde mir versprochen, jemand würde kommen. Doch auch dann kam erst einmal das falsche Taxi, mit weiterer Ablehnung. Wieder dieses Gefühl, nicht willkommen zu sein, nicht mitzuzählen.
Als schließlich doch ein Fahrer anhielt, der mich freundlich mitnahm, war die Erleichterung groß. Aber selbst er zeigte mir, dass für die Zentrale auf seinem Bildschirm nur „Haustier – Hund“ steht. Kein Wort von Assistenzhund, kein Verständnis für die Dringlichkeit. Das ist fatal – für mich geht es nicht um Bequemlichkeit, sondern um meine Gesundheit und mein Leben.
Ich hatte längst Symptome: Zittern, Herzrasen, Schwitzen – ein Krmapfanfall drohte, und jedes weitere Warten machte es schlimmer. Die letzten Kraftreserven haben gerade noch gereicht, um es nach Hause zu schaffen und zu verhindern, dass alles eskaliert. Wenige Minuten später war ich nicht mehr ansprechbar – Krampfanfall.
Was außen niemand sieht: Diskriminierung passiert still. Sie nimmt mir Selbständigkeit, Sicherheit und ein Stück Wertgefühl. Sie löst Angst aus vor jedem neuen Weg, vor jeder Fahrt, vor jedem Tag, an dem einfach „nur“ ein Taxi gebraucht wird.
Ich habe die Vorfälle beim Sozialministeriumservice gemeldet, aber was bleibt, ist dieses brennende Gefühl, das mich einfach nicht loslässt. Die Hilflosigkeit, das Gefühl, immer erst kämpfen und erklären zu müssen, bevor ich überhaupt das machen darf, was für andere selbstverständlich ist: nach Hause fahren.
Wenn Diskriminierung weh tut, dann nicht nur im Kopf – sondern im ganzen Körper. Was bleibt, sind Spuren, die keiner sieht. Aber ich spüre sie jedes Mal – ganz tief.