Assistenzhunde im Alltag – Mythos Dauer-Alarmbereitschaft? Ein Blick auf die Wissenschaft


Assistenzhunde sind wahre Alltagshelden: Sie erkennen Krampfanfälle, warnen bei Unterzuckerung oder melden gefährliche Veränderungen im Verhalten ihrer Besitzer*innen wie zb Dissoziationen. Bei all dem Fokus auf ihre beeindruckenden Leistungen gibt es in der Öffentlichkeit oft Missverständnisse über ihren Einsatz. Eines davon hält sich hartnäckig: Der Assistenzhund sei rund um die Uhr in Daueralarmbereitschaft, immer angespannt und ständig auf „Anzeige-Modus“. Aber wie ist es wirklich? Was sagt nicht nur die Praxiserfahrung, sondern vor allem die Wissenschaft dazu?

Anzeigeverhalten – verlässlich, aber nicht permanent „on“

Ein gut ausgebildeter Assistenzhund zeigt Veränderungen oder Warnsignale zuverlässig an – auch wenn er gerade scheinbar „Freizeit“ hat. Doch, und das ist entscheidend: Er ist nicht permanent angespannt oder auf der Suche nach einem Signal. Der Alltag eines Signalhundes ist deutlich entspannter als vielfach angenommen. Das Anzeigeverhalten ist nämlich nicht mit ständiger Erwartungshaltung oder Stress verbunden, sondern wird erst ausgelöst, wenn das gezielte Signal (etwa ein spezifischer Geruch) tatsächlich wahrgenommen wird.

Wissenschaftlich wird das auch als diskriminantes Signal bezeichnet, ähnlich der Funktionsweise eines klassischen Konditionierungsprozesses. So wie ein Hund „Sitz“ macht, wenn das verbale Signal kommt, reagiert der Assistenzhund auf den Anfall, Blutzuckerabfall oder andere erlernte Anzeichen – ist dieses Signal nicht da, bleibt er schlichtweg „Hund“. (Grandgeorge et al., 2016; Rooney & Clark, 2019).

Geruchssinn als Schalter – nicht als Dauer-Trigger

Gerade viele Signalhund (Österreich), wie Assistenzhundefür Diabetes, arbeiten vor allem mit Geruch. Zahlreiche Studien zeigen, dass Hunde spezifische Geruchsprofile wahrnehmen und auf diese hin trainiert werden können (Mills & Hall, 2014; Los et al., 2017). Der Hund bleibt dabei neutral und entspannt – bis eben das relevante Geruchsmuster in die Nase kommt, dann wird das Anzeigeverhalten ausgelöst. Ansonsten genießt er das ganz normale Hundeleben, spielt, döst oder erkundet die Umwelt.

Auch praxisnahe Berichte, wie das Training von Diensthunden auf Rauschgift oder Artenschutzproben, bestätigen: Erst wenn das Zielsignal tatsächlich „erschnüffelt“ wird, springt das Such- oder Anzeigeverhalten an (Fischer-Tenhagen et al., 2017). Stress entsteht nur bei Fehltraining, Überforderung oder mangelnder Pausengestaltung – nicht durch das eigentliche Anzeigeverhalten selbst.

Brauchen Assistenzhunde zwingend komplette Auszeiten vom Menschen?

Manche Menschen überlegen, Assistenzhunde sollten regelmäßig komplett „ausspannen“, indem sie für eine gewisse Zeit zu einer anderen, nicht-kranken Bezugsperson gegeben werden. Sinnvoll kann das für jeden Hund sein – zwingend notwendig ist es laut aktueller Fachliteratur aber nicht, sofern dem Hund zuhause ausreichend Ruhe und Abwechslung, Pausen von Arbeitsaufgaben und artgerechte Beschäftigung gegönnt werden. Die Bindung und das Sozialleben sind sogar ein wichtiger, bereichernder Teil seines Alltags (Burckhardt & Bienert, 2022).

Fazit: Der entspannte Spezialist auf vier Pfoten

Die Vorstellung vom „immer gestressten“ oder rund um die Uhr lauernden Signalhund ist schlichtweg falsch. Korrekt trainiert, zeigen Assistenzhunde ihr beeindruckendes Können in genau den Momenten, in denen ihre Hilfe gefragt ist – ansonsten leben sie artgerecht, entspannt und wohlversorgt in ihrer Familie. Das Wechselspiel aus konzentrierter Arbeitsleistung und entspanntem Hundesein ist der Schlüssel zu ihrem Wohlbefinden und ihrer Leistungsfähigkeit.

Quellen:

  • Grandgeorge, M. et al. (2016). “Do Assistance Dogs Improve Social Integration and Quality of Life for Families with Children with Autism Spectrum Disorder?” Journal of Autism and Developmental Disorders.
  • Rooney, N. J. & Clark, C. C. A. (2019). “How Useful and Reliable are Diabetic Alert Dogs?” Diabetes Medicine.
  • Mills, D. S., & Hall, S. S. (2014). “Animal‐assisted interventions: Making better use of the ethological dog.” Journal of Veterinary Behavior.
  • Los, E. et al. (2017). “Dogs can discriminate between healthy and unhealthy individuals by their breath.” Animal Cognition.
  • Fischer-Tenhagen, C. et al. (2017). “Olfactory detection of prostate cancer by dogs sniffing urine: A step forward in early diagnosis.” Journal of Urology.
  • Burckhardt, A. & Bienert, H. (2022). „Arbeitshunde: Ethologie, Training, Wohlbefinden.“ Praxisbuch Hundehaltung.
  • Gerwisch, K., Weissenbacher, K., Proyer, M., Huber, L., 2023. A pilot study into the effects of PTSD-assistance dogs’ work on their salivary cortisol levels and their handlers’ Quality of life. Journal of Applied Animal Welfare
  • https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/10888705.2023.2259795?af=R&fbclid=IwAR1ilrgD41j4DkuK6s_bZGZTCjnVHW1f2o4R4l0DXO-1YhXROVHhHcXoHnk

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert